Maria Stockhaus

Sozial. Ökologisch. Gerecht.

Bebauung Bürgerpark am Elfeicher Weg: noch immer keine Gerechtigkeit für Mensch und Natur
20. Oktober 2022

Redebeitrag

Sehr geehrter Stadtverordnetenvorsteher,

werte Stadtverordnete,

in der Sitzung vom 11. November 2021 war die Bebauung des Bürgerparks, Entschuldigung, eines Teils des Bürgerparks; ich will ja hier keine alternativen Fakten verbreiten, auf der Tagesordnung der Stavo. Bereits damals durfte ich Ihnen die Ablehnung meiner Fraktion bzgl. dieses Bauvorhabens begründen.

Und auch ein Jahr später kommen wir zu keinem anderen Schluss

Das zu bebauende Grundstück ist in privatem Eigentum. Prinzipiell gehört es aber zum öffentlich zugängigen Bürgerpark. Mit der Ausnahme, dass es nicht öffentlich zugänglich ist.

Das also der Status Quo. Dieser soll jetzt verändert werden. Denn Ziel der Vorlage ist die Schaffung von Wohnraum unter Berücksichtigung von Biodiversität und Klimaschutz. Zusätzlich soll der namenlose Teich auf dem in Rede stehenden Grundstück öffentlich zugänglich gemacht werden.

Warum brauchen wir den Bürgerpark? Warum brauchen die Darmstädter*innen den Bürgerpark?

Er ist schlicht eine frei zugängliche Grünanlage und damit für alle zur Freizeitgestaltung verfügbar. Sowohl für Sport, Spaziergänge, spielende Kinder, das Treffen mit Freunden. Der Bürgerpark kann ohne Entgelt genutzt werden. Er ist Erholungsraum für so viele Menschen und besonders für die Menschen im Martinsviertel.

Allein der heutige Planabschnitt entzieht sich bis heute der öffentlichen Nutzung durch einen Zaun. Wenn nun gesagt wird, dass das Gelände zugänglich gemacht wird, entstehen in meinem Kopf direkt Bilder.

Wer hätte diese nicht. Bilder davon, am See auf einer Decke zu sitzen. Ein Buch zu lesen. Mein Kind. Freunde um mich herum oder eben auch nicht. Vielleicht eine Picknickdecke und etwas zum Essen. Ein schöner Nachmittag im Park am See.

Pustekuchen, denn DAS ist mit der Öffnung nicht gemeint. Der weitüberwiegende Teil der Darmstädter*innen wird nie die Möglichkeit haben an diesem See zu sitzen. Sie werden ihn nicht mal zu Gesicht bekommen. Denn bis auf eine Wartungszufahrt reichen die Gärten der geplanten Häuser bis an den See. Und die Wartungszufahrt ist durch ein Tor versperrt. Nur wer dort wohnt wird also Zugang zum Teich haben.

Ein bisschen drängt sich der Begriff der Gated Community geradezu auf.

Wer sind aber die Menschen, die in den Genuss dieser Wohnungen kommen werden? Laut den vorliegenden Unterlagen und der Presse: Fach- und Führungskräfte. Aber wer braucht denn in Darmstadt Wohnungen?

Wohnungen sind knapp in Darmstadt. Bezahlbare Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen sind schlicht Mangelware. Während Führungskräfte eine der überteuerten Wohnungen in Darmstadt bezahlen können und damit auch eine Wohnung finden, geht das Menschen mit geringem Einkommen ganz anders.

Sie finden schlicht keine Wohnung

Und wenn doch, dann in unbeliebten Randlagen und direkt an hochfrequentierten Straßen. In diesem Sinne ist die Vorlage aus sozialer Perspektive dreifach zu verneinen:

  1. Der eingezäunte Bereich wird dem Bürgerpark und somit den Darmstädter*innen endgültig zur Nutzung entzogen
  2. Es wird gegen kleinen Obolus Wohnraum für Menschen geschaffen, die sich die Mieten in Darmstadt auch jetzt schon leisten können
  3. Die Menschen erhalten dann auch das Privileg im Grünen zu wohnen, während der arme Teil der Bevölkerung ruhig an schmutzigen Straßen in beengten unsanierten Wohnungen unterkommen kann

Und der Obolus, der hier an dies Stadt zweckgebunden für sozialen Wohnraum abgegeben wird, der ist bezogen auf die künftigen Einnahmen aus diesem Bauprojekt reine Makulatur. Leider darf ich den Betrag hier nicht nennen; so gern ich das auch tun würde.

Aber in diesem Bauvorhaben stimmt nicht nur die soziale Komponente nicht. Denn auch in Sachen Biodiversität liegt Einiges im Argen. Ich weiß, dass es ein gängiges Verfahren ist, Eingriffe und Ausgleichsmaßnahmen mittels Biotopwertverfahren zu bewerten. Das wiederum heißt aber nicht, dass dessen Anwendung auch sinnvoll ist.

Was passiert in diesem Verfahren?

Alle Biotope werden gruppiert und dann mit Punkten bewertet. Ein nicht begrüntes Dach hat 3 Punkte je Quadratmeter. Eine stark versiegelte Fläche ebenfalls. Strukturreiche Vorgärten haben 20 Punkte. Extensiv begrünte Dächer haben 19 Punkte. Das sind dann für das Dach 5 Prozent weniger als für die Vorgärten. Steile These würde ich sagen. Es gibt schlicht keine wissenschaftliche Methodik, um diese Differenzierung und Sortierung in der Biotopwertung zu rechtfertigen.

Was bleibt ist als der Glaube ans System

Und weil der Glaube so schön berechnet werden kann, konnte auch festgestellt werden, dass 42.281 Punkte fehlen, damit die neue Bebauung so gut ist, wie die alte. Das wird also kompensiert.

Zur Kompensation werden, als ob das mit den Punkten nicht schlimm genug wäre, 2 Wiesen herangezogen. Diese werden laut Grünflächenamt aktuell 6–8-mal im Jahr gemäht. Jetzt soll dies umgestellt werden auf 2-malige Maht, also zweimal mähen im Jahr. Dadurch erhöht sich der Biotoppunktwert fast magisch um 43.060 Punkte.

Und Schwupp: Das Bauvorhaben ist makellos

Problem dabei ist bloß, dass mit Antrag SV-Nr. 2019/0042 von CDU, Bündnis 90 und Uffbasse die Maht bereits auf 1-3 mal jährlich reduziert wurde. Also nix mehr Schwupp. Nur noch Puff und aus der Traum von der umfangreich errechneten 0.

Mein Fazit: dieses Vorhaben ist an so vielen Enden schön geredet und schön gerechnet, aber weder sozial noch gut für die Biodiversität

Was bleibt ist die Ablehnung dieser Vorlage


Ergänzende Unterlagen:

Magistratsvorlage 2022/0291: Vorhabenbezogener Bebauungsplan N 8.4.4 – Kastanienallee / Elfeicher Weg – (Satzungsbeschluss)